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    Lehrling
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    KAPITEL 1 Teil 40

    Tag 11 Mittwoch
    In der früh

    Bernd liegt im Bett und wacht auf, als wäre er ein Wächter, der seinen Pflichten während des Nachtdienstes nicht nachkommen könnte. Steht auf wie geschlagen und setzt sich wieder aufs Bett und zwinkert mit den Augen.




    Grim: Du verschläfst den ganzen Tag…
    Bernd: Verdammt. Wie spät ist es?
    Grim: Alle sind bereits aufgebrochen.
    Bernd: Ohne mich zu wecken? Schön. Wie lange her?
    Grim: Tja, selbst deine neue Freundin. Pass lieber auf dich auf. Eine Stunde. Du sollst mit Diego reden. Hoffentlich bestraft er dich nicht allzu streng. Bis dann.
    Bernd: Warte.
    Grim: Ja?
    Bernd: Ich sollte auf mich aufpassen, meinst du.. Warum?




    Grim grinst geziert und wirft seinen Blick nach rechts, die Augen Bernds vermeidend.




    Grim: Du solltest es lieber selbst entdecken. Beobachte und frag dich. Du musst den Hintergrund von allen kennen, um zu erfahren, was zu tun und zu reden ist. - das gesagt zu haben, verbindet seine Augen mit Bernds. - Und was man verschweigt oder umgeht. Da bin ich dir nicht behilflich, aber ich weck dich trotzdem. Denk darüber nach. Bis gleich, Bruder.




    Bernd lehnt seine Stirn an die rechte Hand an. Seufzt müde. Und ärgert sich, dass er aufstehen muss. Sein Körper wünscht sich, sich endlich ein bisschen zu erholen und zu verlangsamen. Seine Glieder tun jeden Tag weh. Allerdings muss er einfach weiter, weil er einfach keine andere Wahl hat.


    *


    Bernd läuft hin und her, um von seinen Kameraden geschossenen Pfeile zu sammeln und sie ihnen wiederzugeben. Das ist Diegos Strafe für die Verspätung. Es musste getan werden, damit niemand in der Mannschaft ein Argument hätte, dass Bernd von Diego irgendwie bevorzugt wird. Alle sind gleich und werden gleich behandelt. Und auch bestraft. Sven schießt absichtlich mehr Pfeile als gestern. Er ist wütend, nachdem Bernd ihn über das leere Versprechen von Milten informiert hat. Morgan wiederholt, eine Lichtkugel zu zaubern und kleine Feuerpfeile in eine farbige Steinringscheibe zu werfen, dabei Tränke mit blauer Flüssigkeit nacheinander austrinkend. Zudem muss Bernd auch gleichzeitig Bogen üben. Und heute ist es ziemlich heiß und kaum eine Wolke in Sicht. Das macht ihn erschöpft und krank. Er kann nicht mehr warten, bis er endlich was zum Fressen kriegt. Bryanna schießt weniger als gestern und ist deutlich verwirrt und verlegen. Sieht Bernd nur an, wenn er ihr seinen Rücken zeigt. Sonst vermeidet sie seinen Blick. Seinen ziemlich enttäuschten Blick. Einige Stunden später steht Diego von seinem Ehrenplatz auf.

    Diego: Halt!




    Alle haben im Augenblick aufgehört zu üben. Grim muss jetzt eine Wippe benutzen, um seine Armbrust sicher zu entspannen.




    Diego: Ja, die Zeit läuft schnell. Wer hat Hunger?
    Morgan: Endlich, ich würde beinahe mein eigenes BEIN zerfressen. Anführer, weis uns den Weg!


    Svens Gesicht gibt zu verstehen, dass er Morgan gern zerreißen würde wie ein Wolf.

    Nikolai: Snaf kann sicherlich kaum warten.




    Bernd muss noch heute einmal das ganze Zubehör seiner Kameraden zuerst stapeln und schleppen, wo sie hingehören.




    Diego: Besuch die Kantine, wenn du fertig bist.
    Bernd: Na klar.




    Grim, Sven, Morgan und Nikolai bewegen sich bereits schnell nach vorne. Bryanna bleibt stehen mit einer sich fragenden Miene. Plötzlich stößt sie ein unerwartetes Geräusch aus:


    Bryanna: Darf ich ihm helfen?
    Diego: Ich freue mich, dass du es möchtest. Bei einer Aufgabe als Mannschaft würde ich dir gern Erlaubnis erteilen. Das ist doch keine Zusammenarbeit, sondern Strafe. Du wirst nicht bestraft, deswegen gehst du jetzt essen. Bernd muss sich völlig merken, dass es sich niemals lohnt, sich zu verspäten. Der Feind würde nicht warten.
    Bernd: Danke Bryanna, aber Diego hat Recht.




    Diego nickt ein paar mal einverstanden.




    Diego: So ist es und so muss es bleiben. Komm schon.




    Bryanna seufzt aufgegeben.




    Bryanna: Tut mir leid… Wir sehen uns später, oder?
    Bernd: Natürlich. Und lass dir darüber keine grauen Haare wachsen. Das da ist nur ein Kinderspiel im Vergleich zu dem, was ich hier schon erlebt und überlebt hab.
    Bryanna: Ja, ich erinnere mich. Du bist mutig.
    Diego: Bryanna, wir werden auf dich nicht ewig warten.
    Bryanna: Ich komm, verzeih.
    Diego: Macht nix, aber komm.




    Die werdenden Schatten gehen los. Die Richtung: Kantine. Diego beobachtet noch einen Moment Bernd arbeiten. Ihre Augen treffen sich. Bernd zuckt mit den Schultern und macht ein halbes Lächeln. Sowie Diego, der sich umdreht und verlässt den Platz.
    Geändert von MäzenTrommel (02.02.2024 um 00:16 Uhr)

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    KAPITEL 1 Teil 41

    Tag 11 Mittwoch
    Mittag


    Bernd trinkt schon den dritten Becher Wasser. Allerdings isst er wenig.

    Bernd: Wasser schmeckt heute so verdammt gut… Bin sogar auf einen nicht erwarteten Geschmack gekommen… Dafür muss ich mir einmal Fleischwanzen wieder kriegen. Die sind nicht so am Arsch, wie ich früher gedacht hab.
    Nikolai: Blödsinn. Bleib sitzen. Du bist erschöpft und dein Körper überredet dich einfach, dass es dir schmeckt, um dich auf den Beinen zu halten.
    Bernd: Mag sein, aber warum erteilst du mir bloß diese Rede nun?
    Nikolai: Um dich zu erinnern, wie du uns versichert hast, dass du…

    Bernd macht die Augen weit offen, Wasser im Mund haltend.
    Nikolai bemerkt, was er durch seine Emotionen getrieben beinahe schaffen würde. Da Bernd daneben sitzt, weiß er, dass heutzutage hier Gardisten rumhängen.

    Nikolai: Damit du deine eigenen Worte nicht vergisst.
    Bernd: Ich. Verstehe. Halt bitte den Mund - Bernd ist bei diesem ruhigen Ausstoß leise und diskret.

    Nikolai entschließt sich, die ganze Szene wieder aufzubauen.

    Nikolai: Diego? Warum braucht ihr so viele Pfeile?

    Diego hat keinen Bock drauf zu antworten, verliert aber die von seinen ergebenen Lehringen Blicken hingeworfene Herausforderung mit einem kurzen Seufzen.

    Diego: Willst du den Frieden genießen, bereite dich auf den Krieg vor. Ich erwarte euch draußen. Bewegung, meine Herren.

    Wie auch immer verlässt Diego die Kantine zuerst, um die restlichen schneller bewegen zu lassen.
    Grim und Nikolai starren einander an. Grim schließt die Augen zu und nickt ein paar mal, als wüsste er alles.
    Nachdem Bernd die ihm gehörten Gefäße ausgeleert hat, schubst er sanft Nikolais Schulter.

    Bernd: Willst du nachmittags trinken gehen? Und reden… Bei normalen Verhältnissen vielleicht…
    Nikolai: Klar, warum nicht.
    Bernd: Toll, treffen wir uns am Marktplatz. Ich kann dir ne Runde schmeißen. Oder zwei.

    Nikolai lacht kurz und bescheiden.

    Nikolai: Wie könnte ich es verweigern. Bin dabei.
    Bernd: Ich kenne auch ein Ort, wo uns niemand dran hindert, uns über geheimnisvolle Gegenstände zu unterhalten.
    Nikolai: Perfekt. Das ist ja genau, was ich brauch. Um letztendlich frei von der Leber reden zu können.
    Bernd: Ja, gut. Verzeih, aber ich muss möglichst schnell wegen guter Führung entlassen werden. Befreit von dieser herrlichen Arbeit, würde ich sagen.
    Nikolai: Ich würde dir gern helfen, darf ich aber nicht.
    Bernd: Macht nix. Noch ein paar Stunden. Und dann muss ich kämpfen üben.
    Nikolai: Schön. Üblicher Tag, oder?
    Bernd: Das macht einem nichts aus, wenn man wirklich vollbringen will, was man dir versprochen hat. Machs gut.

    Nikolai nickt einmal und sitzt regungslos. Er beobachtet die leeren Teller im Schweigen. Und sitzt. Verliert sich in seinen Gedanken. Und bleibt so, Snafs Assistenten beim Ausräumen der leeren Teller ignorierend.

    *
    Diego: Bernd, hast du zufällig Nikolai gesehen?

    Bernd atmet bei der Verteilung von Pfeilen einmal aus. Antwortet schnell und lässt sich nicht mehr anhalten:

    Bernd: Zufällig nicht, war doch in der Kantine, oder? Warst du da auch angeblich.
    Diego: Ach, leck mich am Arsch… Macht weiter, ich bring ihn wieder her…

    Diego geht mit großen Schritten zum oben genannten Platz, um die Ordnung richtig zu besorgen.
    Die Restlichen üben weiter, als wäre Diego noch da. Bis auf zwei Ausnahmen:

    Sven: Bryanna denkst du, hätte ich Ärger, wenn ich Morgan zufällig schießen würde?

    Bryanna macht die Augen offen, ohne glauben zu können, was sie je gehört hat.

    Bryanna: Dein Zorn hat dir wohl die letzte Vernunft zerfressen.
    Sven: Ich verlange Gerechtigkeit, das ist alles.
    Bryanna: So gewaltsam? Das führt dich gleich zum jähen Abgrund.
    Sven: Soll ich dich dran erinnern, wo wir uns jetzt befinden? Wir sind bereits am Abgrund, Alter.
    Bryanna: Kann viel schlimmer gewesen sein. Im Bauch eines Crawlers in der Mine beispielsweise. Du hast immer noch ne Chance, was Gutes zu kriegen.
    Sven: Naja. Und weißt du, was da auch schlimm ist? Bernd hat mit Milten geredet und das einzige, was er bei ihm erreicht hat, lautet: vielleicht wird dir die Magie beigebracht. Irgendwann, und frag lieber nicht, wann eigentlich, du Mistkerl. Ich fühl mich betrogen.
    Bryanna: Soll das etwa Bernds Schuld sein?
    Sven: Grim hat gesagt, Bernd solle Diego länger kennen, also hatte er Gelegenheit, mir erfolgreich zu helfen. Die wurde von ihm aber nicht ergriffen.
    Bryanna: Denk nochmal darüber nach, wie doof es klingt. Bernd und Diego sind nicht gleich, egal was dir Grim gesagt hat.
    Sven: Woher kommt deine Gewissheit?
    Bryanna: Alter, Bernd wird gerade vor deinen Augen wegen einer Verspätung bestraft wie jeder, der nicht gehorcht hat... Und du stellst trotzdem solche dummen Fragen. Bin sprachlos. Verzeih, muss ich jetzt noch ein paar Pfeile lösen.

    Sven empört sich ein bisschen und folgt Beispiel Bryannas.
    Nikolai wird von Diego wie ein Gefangener begleitet. Bernd grinst und entschließt sich diese Lage ganz offen zu kommentieren:

    Bernd: In einem Gefängnis gefangen zu werden, ist schon ne großartige Leistung, oder? Willkommen im Verein der Versager. Soll ich dir Fleischwanzen-Ragout bringen?
    Nikolai: Hab kein Hunger, dank. Mach mal Platz, Pfeile und Bolzen sammeln sich nicht selbst und der ganze Schrott auch.
    Diego: Nein, nein, nein, mein Freund. Morgen hilfst du einem Baumeister. Whistler nämlich. Du meldest dich nach Sonnenaufgang bei der großen Erzuhr.
    Nikolai: Was? Wo ist es denn?
    Grim: Echt? Am Marktplatz doch. Wo jeder auf die Uhr Zugriff haben sollte.
    Nikolai: Muss ich irgendwie übersehen haben.
    Diego: Bin nicht erstaunt, die Zeit spielt dir wohl keine Rolle, aber Whistler wird dir gehörig zeigen, wo der Hammer hängt. Nikolai, du übst heute weiter und morgen bist du Helfer. Bernd, Sven wird bald leer, greif mal nach den Pfeilen und bring sie ihm. Noch etwas Zeit und seid ihr frei, aber davor macht noch einmal Dampf! Feind schläft nie!

    Morgan arbeitet rastlos, als wäre er von der Welt um ihn rum abgetrennt. Sven hört nicht auf, seine Schultern beim Schießen zu überfordern. Bernd läuft hin und her mit einer kurzen Pause dazwischen für das Bogenüben. Bryanna und Nikolai überanstrengen sich gar nicht. Und Grim ist auf sich selbst und sein Ziel konzentriert. Diego nimmt seinen Lieblingsplatz auf dem Baumstumpf und beobachtet seine talentvolle Mannschaft. Das Erz in der Erzuhr rinnt, sowie Zeit, bis zum von allen erwarteten Ende der heutigen Übung.

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    Lehrling
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    KAPITEL 1 Teil 42

    Tag 11 Mittwoch
    Nachmittag



    Bernd und Kirgo sitzen beide am Boden der Arena und essen Äpfel. Sie haben ohne Pause zwei Stunden trainiert, aber sehen aus, als wären sie gleich am Anfang. Frisch und bereit. Kirgo wischt den Saft des Apfels von seinem Mund weg.

    Kirgo: Whistler als Baumeister hat immer was zu tun, wenn du mich fragst. Da der Zustand der hiesigen Bauwerke nicht in der glänzenden Form ist, gibt es immer noch was zu reparieren oder abzudichten. Jeden verdammten Tag. Whistler meckert, dass Sägen fehlen, und man muss Holz mit Äxten verarbeiten. Die Nägel werden am Ort hergestellt, weil es billiger ist. Aber die Schmieden stinken wie Pest. Huren und Rüstung für seine Hunde - daran kann Gomez immer denken. Was jedoch Werkzeuge betrifft… Nein, das ist vermutlich nicht allzu wichtig. Whistler und andere Bauarbeiter sind talentiert und wahrscheinlich auch in der Lage, aus Lösche Kohle zu machen.
    Bernd: Hat er überhaupt einmal versucht, Gomez gehörig mitzuteilen, dass er als Meister Werkzeug braucht? Nicht sogar, dass Gomez eine Scheißarbeit leistet, sondern… Ja, das ist notwendig halt.
    Kirgo: Für unsereinen auf jeden. Gomez ist wegen der Macht nicht mehr richtig unterm Dach. Erzbaronen und Gardisten haben immer Priorität, wenn es um Waren geht. Weder Erzbaronen noch Gardisten sind dazu gezwungen, das Lager auf- und umzubauen. Bauen sie irgendwas außer Gewaltherrschaft? Alles, was sie ganz gut verstehen, heißt, dich zu bedrohen. Das ist auch ein Hinweis an dich: fühl dich nimmer sicher unter ihnen - spuckt auf den Boden den Kopf drehend. - Ach, wenn es sie nicht gäbe, wäre es hier unendlich besser. Stell dir mal vor, bekommst du immer Waren von der Außenwelt, du bist von der Barriere beschützt, und alles, worum du dich kümmern musst… Ist Erzabbauen. Und Jagen oder Herstellen von etwas, egal schon. Aber mit so einer Obrigkeit gehen wir immer leer aus. Und es wird immer schlimmer. Für uns Pflichten und dagegen für sie Rechte und Vergnügung.
    Bernd: Ja, scheiß auf sie, egal, gehen wir lieber zu einem anderen Thema über.
    Kirgo: Na, genug mit dem Geschwätz. Wir müssen fortsetzen, sonst wird Scatty nicht besonders froh aussehen.


    Die Männer stehen auf und nehmen ihre Waffen in die Hand, Kerngehäuse hinter sich geschmissen zu haben. Die Übung kommt bald zu Ende.


    *


    Bernd: Ich wusste, ich würde dich hier finden.


    Nikolai steht vor der großen Erzuhr wie gezaubert. Die Uhr ist aus dickem Glas gebaut. Drin rinnen winzige Bruchteile magischen Erzes, die illuminieren, sodass es möglich ist, die Uhrzeit aus der Distanz zu schätzen. Es wird jede 8 Stunden gedreht. Für einen nicht dazu Berechtigten ist es unmöglich, die Uhr selbst zu drehen, weil sie durch eine Hängeschloss verschlossen ist. Da steht auch eine Holztafel mit der folgenden Information: “Berühren von Unberechtigten wird mit Tod bestraft”. Es gibt mehrere Erzuhren im Lager. Eine in jedem Viertel und letztendlich im Schloss. Auch Erzbaronen sollen ihre eigenen Erzuhren haben. Nikolai begrüßt Bernd mit einem klassischen Händedruck.

    Nikolai: Du bist pünktlich, ohne eine Uhr bei dir zu haben?
    Bernd: Frage der Gewohnheit. Besonders im Gefängnis wirkts schön.
    Nikolai: Schön.
    Bernd: Besuchen wir das Wirtshaus da drüben?


    Nikolai überlegt sich etwas kurz und antwortet schnell:

    Nikolai: Ich weiß, worüber wir in der Kantine übereingekommen sind, aber… Kann ich trotzdem Platz wählen? Diese Wirtshäuser, weißt du, haben Ohren, die ich gern mit Dreck stopfen würde.
    Bernd: Ich dachte, wir würden zuerst mindestens einen heben. Ruhig und locker, weißt du. Und dann zum Thema kommen.
    Nikolai: Scheiß auf Bier. Ich brauche nur ein Gespräch von der Seele. Bier ist für Schwächlinge.


    Bernd ist ein bisschen verwirrt und lässt die Stille ein Stück bestehen.

    Bernd: Wo denn?
    Nikolai: Waffenkammer. Unsere.


    Bernd lacht und zeigt das Nachgeben mit seinen Gesten.

    Bernd: Du kennst den Weg, nehm ich an.
    Nikolai: Ja auf jeden. Lass uns gehen, denn. Und danke.

    *

    Bernd und Nikolai sitzen auf den Baumstümpfen. Nikolai rollt sich aus Reispapier eine Zigarette mit Tabak. Bernd wartet geduldig, sie wechseln ein paar für sie nichts bedeutende Worte, um die Stille zu stören. Letztendlich kommt in die Sprache eine wichtige Frage:

    Bernd: Hast du eigenen Feuerstein?
    Nikolai schnaubt und leckt das Papier, um es vollständig einzurollen.

    Nikolai: Ich bin alter Dieb… Alter. Manche mischen Sumpfkraut mit Tabak zusammen, um die Wirkung aufzuweichen. Das bin ich nicht. - er zündet seine Zigarette mit zwei-drei schnellen Reiben. - Tabak schmeckt immer gut alleine. Wie Tee. Wieso sich das Leben komplizieren. Willst du einmal?
    Bernd: Nein, danke. Du hast mich hierher wohl nicht geschleppt, um sich über mit dem Rauchen verbundenen Sachen zu unterhalten, oder?
    Nikolai: Wenn es darum geht, will ich einfach bei dieser Gelegenheit guten Stoff in mich einnehmen…Ohne dass ich einem Gott im Sumpf lebenslang dienen muss. Wie dein Freund Dusty - fügt ohne Nachdenken hinzu.


    Bernd seufzt und erwidert auch ohne längeres Nachdenken.

    Bernd: Du hast mit Grim geredet, oder?
    Nikolai: Der hat immer große Klappe, obwohl er auf Worte achtet, was ich respektiere.
    Bernd: Von was hat er dir noch erzählt?
    Nikolai: Ich verrate es dir, aber zuerst erzähl mir mal kurz die Sache mit Dusty aus deiner Perspektive.
    Bernd: Er war verzweifelt in das Sumpflager verliebt. Und nutzte seine Chance, als er konnte.
    Nikolai: Hast du ihm dabei geholfen? Nach Grims Meinung ja.
    Bernd: Gut zu wissen. Nein, ich habe ihn einfach nicht angehalten. Er hätte sich sowieso ihnen angeschlossen. Ob ich bei ihm gewesen wäre oder nicht. Kein Unterschied.


    Nikolai zieht den Rauch ziemlich lange ein und ihn stoßweise ausbläst.

    Nikolai: Verstehe. Wie bei einem Säufer, der immer einen Weg finden wird, sich die Kante zu geben. Traurig und sinnlos.
    Bernd: Ja, ich konnte dagegen nix unternehmen. Nicht vergessen, trotzdem. Ich habe ihn nicht vergessen. Vielleicht werde ich ihn eines Tages retten. Hoffentlich wirds nicht zu spät. Muss er seinen Kopf hoch halten. Was genau hat dir Grim erzählt?
    Nikolai: Dass du Dusty im Stich gelassen hast und dass du mit Diego befreundet bist, was dir das Leben erleichtern soll. Aber wie die letzten Ereignisse ergeben haben, ist es dir nicht bedingungslos zugunsten. Bist du allen gleich. Bin gespannt, ob Grim seine Meinung geändert hat.
    Bernd: Das ist das letzte Ding, das ich mir überhaupt bedenken würde. Tut mir leid. - beobachtet den Funken in Nikolais Zigarette, wenn er sie weiter raucht. - Kennst du das Gefühl, wenn du dich plötzlich an etwas Vergangenes erinnerst?
    Nikolai: Das Gefühl lässt mich leider nie im Stich. Woran denkst du, denn?
    Bernd: Ich kann mich erinnern, dass du am Anfang gesagt hast, dass ein Hurensohn der Vater deines Sohnes gewesen sein soll. Offiziell.
    Nikolai: Echt? Hab ich so gesagt? - tut außerordentlich künstlich so, als wäre er wirklich erstaunt, was Bernd gleich bemerkt.
    Bernd: Ja, und mich interessiert, was du damit eigentlich gemeint hast.
    Nikolai: Ich habe es wortwörtlich gemeint, wenn du mich fragst. Das die Wahrheit. Die Wahrheit ist auch, dass ich immer Dieb und Betrüger war… Und weißt du, was Lustiges draus resultiert hat? Ich wurde bestohlen und betrogen. Und noch was Lustigeres… Durch jemanden, dem ich getraut habe.
    Bernd: Das ist sehr schlimm. Man befürchtet es hier jeden Tag. Und deine Geschichte wird immer spannender, muss ich sagen. Aber wie sah der Beginn aus? Wie kam es dazu, mein ich.
    Nikolai: Kein Wunder. In so einem legendären Gefängnis wie diesem, muss man immer die Augen weit offen halten. Wie sah der Beginn aus… Hmm. Damit du nur den notwendigen Hintergrund kennst… Umm.. Um das Augenmerk der Miliz nicht auf mich richten zu lassen, habe ich meinen Sohn abgeleugnet. Ich hab ihn nicht registriert als meiner. Tatsächlich bin ich geflohen. Ich musste halt, ich war in Not. Gesetzmäßig. Und da kommt ein Freund von mir ins Spiel… Naja, ich war mir ziemlich sicher, er war mein Freund, aber… Ich habe ihm Geld gegeben und auf ihn vertraut. Weißt du, was sich der Mistkerl ausgedacht hat?
    Bernd: Ich sterbe vor Neugier.
    Nikolai: Er hat meine Frau samt meinem Sohn entführt. Von jener Zeit an steht in den Büchern, er sei ihr Mann und der Vater meines Sohnes. Kannst du dir es vorstellen? Du, als Mann? So beschämt worden zu sein? Er soll jetzt ein Geschäft haben und an Leute Dinge vermieten, das ist aber nicht der Rede wert. Die Sache ist, dass ich raus muss. Sich an diesen Scheißort auf keinen Fall gewöhnen. Jeder Moment dran denken. Raus, raus und noch einmal raus. Ich hatte so ein Gefühl, damals in der Kantine, als hättest du damit angefangen aufzugeben.
    Bernd: Das war doch übertrieben. Soll ich ständig darüber reden, egal was um mich rum passiert? Wir werden immer beobachtet, Alter. Weiß ich aber nicht, was dich dazu getrieben hat, mir vorzuwerfen, dass ich mein grandioses Ziel vergessen hab.
    Nikolai: Ich kenn dich noch nicht so gut und stimme zu, das war in diesen Verhältnissen übertrieben. Frustration hat mich dazu getrieben. Verzeih mir, ich glaube dir, aber…
    Bernd: Ja??
    Nikolai: Willst du mir sagen, was für Plan du hast? Ein Stück?
    Bernd: Wie du bereits bemerkt hast, kennen wir uns noch nicht so gut. Das bedeutet nein. Noch nicht. Du musst mich verstehen, wir beide sind aus Khorinis. Aus diesem Teil von Khorinis, der nicht besonders bunt ist.
    Nikolai: Ich verdiene dein Vertrauen. Versprochen. Ich merke in dir, dass du deine eigenen Regeln hast, an die du dich hältst. Wenn du so weitermachst, gehst du hoch. Und ich will diesem Moment beiwohnen.
    Bernd: Danke. Und ja, du könntest mir ein Stück helfen.
    Nikolai: Schlag mal.
    Bernd: Ich habe mit Sven und Morgan ein Problem…
    Nikolai: Rede nicht mehr. Ich habe bereits eine Antwort, denn ich habe darüber vorher nachgedacht. Ich habe mit Morgan tagelang geredet, bevor wir hierher landeten. Morgan und Sven müssen sich auf ihren Konflikt nicht mehr konzentrieren, sondern zusammen etwas vollbringen, was allen von Nutzen sein wird. Das dürfte beide aufbauen. Sie brauchen sich einander nicht zu lieben. Aber wenn beide in dieser Mannschaft arbeiten, werden wir alle dadurch überlegen sein. Den Gardisten sicherlich auch.


    Bernd rümpft die Nase.

    Nikolai: Warte. Morgan ist Sven immer noch etwas schuldig. Dieser Milten nicht. Also lernt Morgan von Milten was, kann er auch Sven das beibringen, wie er ihm bereits versprochen hat. Das ist einfach. Überzeugen ist ne andere Sache, aber die Richtung ist, meiner Meinung nach, deutlich. Da kannst du handeln. Alleine oder mit Diego. Der hat mehr Autorität als du selbstverständlich. Er kann es ihnen einfach befehlen.
    Bernd: Ja, das ist schon wahrscheinlicher. Danke.
    Nikolai: Ich stehe immer zur Verfügung.
    Bernd: Hm. Und du hast kein Bock auf ein eigenes Kommando? Irgendwann?
    Nikolai: Ich? Alter, ich bin das Bild des Chaos. Mir reichen nur ein paar Sachen. gut gemachte Geschäfte, die mir Geld bringen, damals gelungene Überfälle, Zigaretten rauchen, Frauen ficken, Typen ins Schädel schlagen, Beamten und Verräter töten. Da ist mein Leben vollkommen. Ach, Scherzen. Aber was ohne Zweifel stimmt, ist, dass ich jetzt Rache suche.
    Bernd: Was passiert, wenn du deine Rache findest? Und deine Familie wiederbekommst, was dann?
    Nikolai: Ich bringe in Ordnung alles, was ich verpeilt hab.
    Bernd: Bist du sicher?
    Nikolai: Ja. Ich kann nicht leiden, dass jemand anderer meinen Sohn erzieht. Ich bin dazu geschaffen.
    Bernd: Dein damaliger Freund hat sie entführt oder hat sie sich entführen lassen?
    Nikolai: Was könnte sie anderes getan haben, als zuzustimmen, wenn er das ganze Geld und das Sagen gehabt hat? Das finde ich ausschließlich Entführen.
    Bernd: Warum hast du nicht direkt deiner Frau Geld gegeben? Sondern ihm.
    Nikolai: Eine Frau zu bestehlen ist keine Herausforderung. Ich hatte Angst, du weißt schon. Dieser sogenannte Freund soll sie nur vorübergehend unter die Arme gegriffen haben, sobald ich mit der Miliz Versteck spielte. Ich habe verloren, aber mir ist es gelungen zu erfahren, was er im Schilde in der Zwischenzeit geführt hat. Wenn ich raus bin, Alter… Beschreibe ich es dir unverblümt. Ich reiße seine Beine raus und stecke ihm ein heißes Messer in sein Auge rein und dann…
    Bernd: Hör auf, bitte. Das ist nur deine Sache, was du ihm antust. Aber mir ist gerade etwas eingefallen. Möchtest du in der Arena kämpfen? Würdest du etwas Kohle verdienen.
    Nikolai: Nee, das ist deine Sache und deine Vorgehensweise. Ich bevorzuge es immer zu gewinnen. Aus dem Schatten springen, angreifen und überfallen, damit ich mir alles kriege, was ich will. Und dann gut anlegen und verpulvern, kommt auf meine Laune an.
    Bernd: Verstehe. Und unbeschädigt, was?
    Nikolai: Wenn es möglich ist, dann ja.
    Bernd: Ich auch. Was hast du angelegt, eigentlich?
    Nikolai: Pferde, Kutschen, sogar Esel und Maulesel, wenn mir nix anderes übrig blieb. Und Waren verschiedener Art, natürlich. Es ist lustig, weil ich dieselben Dinge bestohlen und dann verkauft habe. Und weiterverkauft, was ich angelegt hab. Das war ein prächtiges Geschäft.
    Bernd: Hast du Bock, es hier auch zu unternehmen?
    Nikolai: Sei nicht lustig, Alter. Ich müsste mich dem Neuen Lager anschließen, das kommt momentan gar nicht in Frage.
    Bernd: Verstehe. Denkst du, wärst du anderer Mensch, wenn es dir sicher wäre, dass du wieder bei deiner Frau und deinem Sohn bist? Ich versuche, dich zu verstehen.
    Nikolai: Ich kann es spüren, deswegen rede ich mit dir ganz offen, Alter. Guck mal. Ich bin von der Straße, also kann ich dir nur sagen, was mir die Straße beigebracht hat. So sind beispielsweise Opfer des Chaos von Zuhause. Ich kannte einen Typ, dessen Vater betrunken in der Arbeit regelmäßig erschien, als er klein war und musste das Geld selbst verdienen, um zu überleben, weil sein Vater so tat, als er nicht existierte. Als Erwachsener hatte er immer ein Plan und war auf jede Situation perfekt vorbereitet. Überfallensplanung mit ihm war immer große Freude aber auch Frustration. Mit ihm ist es doch nimmer schiefgelaufen. Was ich damit sagen will, heißt… Jeder Bandit muss sich ein wichtiges Ziel finden, wenn er will, etwas in seinem Leben zu ändern. Für mich war es meine Frau, aber… Naja, unsere Beziehung war ziemlich chaotisch, muss ich sagen. Sie hat mich unterstützt, weil ich eine ganze Menge Kohle verdient hab. Sie hatte aber Hoffnung, dass ich damit rechtzeitig aufhöre, damit die Miliz das Interesse in mir verliert, verstehs du?
    Bernd: Aber zu guter letzt…?
    Nikolai: Das war doch mein Ziel auch. Mein sogenannter Freund hat getan, was ich machen wollte. Eigenes Geschäft losgehen lassen und nicht mehr gegen das Gesetz verstoßen. Und das Vorbild der Ehre werden. Und meinen Sohn, im Gegenteil zu meinem Vater, gut erziehen. Ich stecke aber hier. Will rausgehen, um mein Ziel zu erreichen.
    Bernd: Was mit deinem Vater?
    Nikolai: Der ist tot. Hat mir nur beigebracht, wie man andere beraubt und bestiehlt. Genauer gesagt dazu gezwungen. Und ich fand es toll. Meine Mutter war eine Hure aus dem Hafenviertel und ist auch tot. Sie hat mit meinem Vater eines Abends gefeiert und betrunken falsch hingefallen, so dass sie ihren Kopf eingeschlagen hat. Eine hohe Treppe, damit du weißt. Ein paar Monate später ist mein Vater ihr gefolgt. Er wurde in einem Wirtshaus von anderen Banditen getötet.
    Bernd: Wie alt warst du?
    Nikolai: Vierzehn, Alter. Hätte ich nix davon können, was mir mein Vater beigebracht hat, wäre ich bereits tot gewesen.
    Bernd: Und du willst nicht sein wie dein Vater, oder?
    Nikolai: Tot und gepinkelt? Nein, Alter. Ich will einfach zu Ende bringen, was ich angefangen hab und was mir unterbrochen wurde, obwohl es mir, wie meinem verräterischen Freund, gelungen sein könnte.
    Bernd: Na gut. Ich glaube dir. Das ist guter Anfang. Wenn du so weitermachst, werde ich dir mehr verraten. Und in mehr Sachen einbeziehen.
    Nikolai: Danke für die Chance. Ich ficke die ganze Politik hier in den Arsch. Das ist von keiner Wichtigkeit. Die richtige Welt ist draußen in Khorinis. Punkt.
    Bernd: Da stimme ich vollkommen zu. Deswegen will ich auch raus. Und diese Hure da oben wird eines Tages gesprungen. Versprochen.
    Nikolai: Sag nur das Wort, falls du mich brauchst, Alter.
    Bernd: Würdest du mir helfen, wenn ich mit Morgan über Sven sprechen möchte?
    Nikolai: Wie gesagt, immer zu deiner Verfügung. Ich glaube aber, dass Diego hier mehr zu sagen haben würde.
    Bernd: Ja, aber zwingen ist nicht so effizient wie überreden, verstehst du, was ich mein.
    Nikolai: Egal. Schließlich ist die Entscheidung deine. Und ich werde dir so helfen, wie ich nur kann. Du hast mein Wort.
    Bernd: Danke. Verzeihst du mir, wenn ich jetzt baden und schlafen gehe? Es tut mir einfach alles weh, ich brauch mehr Schlaf. Letztendlich.
    Nikolai: Kein Problem, Alter.
    Bernd: Machs gut.
    Nikolai: Du auch.


    An die Holzwand der Waffenkammer reibt Nikolai die verglimmende Kippe und schmeißt sie weg. Er geht am Marktplatz spazieren. Morgen muss er pünktlich bei der Erzuhr erschienen, um bei den anstrengenden Bauarbeiten zu helfen. Und berühmten Whistler kennen zu lernen.

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    KAPITEL 1 Teil 43

    Tag 12 Donnerstag
    In der früh

    Bernd ist am Schießplatz aufgetreten, bevor all seine Kameraden eingetroffen sind. Als erster kam natürlich:

    Grim: Ich habe schon gedacht, dass du auf den Geschmack gekommen bist, Pfeile zu sammeln. Sowie Pilze. Nein, Scherze. Gut, dass du da diesmal pünktlich bist.
    Bernd: Hoffentlich ist Nikolai pünktlich auch. Und kein Ärger bekommt.
    Grim: Mach dir keine Sorgen. Er hat diesen Auftrag ernst genommen. Mit Whistler arbeiten? Wer würde diese Chance verpassen…
    Bernd: Um welche Chance gehts eigentlich?
    Grim: Stell dir vor, du hast die Gelegenheit bekommen, einen Tag lang mit dem berühmten Alchemiker Constantino aus Khorinis zu arbeiten.
    Bernd: Achso…
    Grim: Oder mit Harad aus Khorinis schmieden zu lernen. Das sind die Namen, die Statthalter Larius durchaus respektiert. Wer viel Einfluss hat, wird respektiert, merk dir.
    Bernd: Danke für diese unbezahlbare Kenntnis. Nächstes mal kannst du mir auch preisgeben, dass es drei Götter gibt, dass Wasser aus dem Himmel fallen kann und dass Gomez ein Arschloch ist.
    Grim: Du kannst lachen, aber es ist immer gut, sich an manche Dinge dauerhaft zu erinnern.
    Bernd: Wenn du es in solchen Worten fasst, dann hat es natürlich Sinn. Egal, die restlichen sind schon da.


    Sven, Morgan und Bryanna kommen nacheinander her, um ein seltsames Geschehen wahrzunehmen:

    Bryanna: Wo ist Diego denn?
    Grim: Er wartet nicht hier auf uns wie immer, also… Es mag sein, er verspätet sich.
    Sven: Unmöglich.
    Bryanna: Vergesst nicht, dass Diego immer jede Menge Dinge zu erledigen hat. Mehr als wir alle zusammen.
    Morgan: Gestern wurde er von Nikolai nach Pfeilen gefragt. Erinnert ihr euch? Vielleicht meinte er es wirklich, sich auf den Krieg vorzubereiten. Interessant.
    Bryanna: Werden wir Schatten, dann werden wir wissen. Das ist einfach.
    Morgan: Ja, du hast Recht.
    Grim: Hmm. Bernd, sag mal… Rein theoretisch… Wenn sich Diego heute eine Stunde verspätet, wirst du ihm es vorwerfen?
    Bernd: Nein. Maul halten und machen, was zu machen ist.
    Grim: Und das ist, was du unter “richtig” verstehst?
    Bernd: Ja.


    Grim nickt und zieht ein kleines Laubblatt und fängt an, es zu kauen.

    Grim: Wenn du meinst…


    Ein paar Momente später kommt ein Schatten in Sicht. Er ist wahrscheinlich in seinen dreißigsten. Rasiert und gekämmt. Er macht guten Eindruck, obwohl er ganz normale Klamotten eines Schattens trägt.

    Fingers: Hallo zusammen, mein Name ist Fingers und bin heute zum Ersatz, denn Diego hat momentan viel am Hals und ich wurde persönlich von ihm einberufen. Thorus weiß auch Bescheid. Nach dem, was mir Diego in aller Ausführlichkeit erzählt hat: Bryanna schießt mit dem Langbogen, Grim mit der Armbrust, Nikolai mit dem Reflexivbogen… Ach, er ist bei Whistler. Gut. Dann weiter… Bernd mit dem Jagdbogen, Sven mit dem üblichen Bogen und Morgan wartet in der Waffenkammer auf Milten. Verstanden? Bewegung! Alle an ihren Platz! Ich will euch alle gleichzeitig in einer Linie stehen sehen. In Kürze werden wir alle zu Mittag essen.
    Bernd: Der beste Teil des Tages.
    Fingers: Da sind wir einverstanden.


    Ohne Fragen zu stellen, bewegen sich alle in die Richtung der Waffenkammer, um all ihre Sachen zu holen. Waffen und Munition.
    Die Übung verläuft, ohne dass jemand sogar ein Wort ausspricht. Das ganze sieht anders aus als gewöhnlich. Fingers hat immer auf jede eventuelle Frage eine kurze Antwort. Spricht von sich auch nicht viel, meistens zeigt, wenn etwas wieder mal falsch gemacht wird. Und so ist es bis zum Abschluss. Alle ahnen bereits einheitlich, dass es an der Zeit ist. Fingers schubst Bernd plötzlich.

    Fingers: Ich habe gehört, dass du dich gestern verspätet hast.
    Bernd: Gerüchte verbreiten sich schnell, oder?
    Fingers: Hört zu, Kameraden. Ich will, dass uns heute allen durch den Kopf ein Gedanke für immer geht: Wenn man sich beispielsweise verspätet, wird es nicht vergessen. Besonders nicht von einem Tag zum anderen. Du sollst also jetzt alle Waffen und Munition zurückbringen. Die restlichen. Waffen weg. Kantine. Und Abmarsch. Mahlzeit!


    Bernd seufzt und fängt an, Pfeile anzuhäufen, um sie alle in einem Bündel wiederzubringen.


    Grim tupft Bernds Schulter, als er weggeht, ohne sein Grinsen zu verstecken. Sven wirft seinen Bogen hinter sich weg, damit Bernd eine längere Strecke dazu haben wird. Außerdem wirft er einen bösen Blick auf den die Waffenkammer verlassenden Morgan. Bryanna ist verwirrt und irgendwie scheu, deswegen schreitet sie vom ganzen Platz als Erste, als würde sie von etwas zu entkommen versuchen, was Grim zu leisem Lachen bringt.
    Bernd macht einfach seinen Job, ohne seinen Mund aufzutun. Seiner Erwartungen entgegen, im Inneren der Waffenkammer sieht er kein Milten. Wenn er bereits fertig ist, bekommt er einen ziemlich großen Schrecken. Fingers steht seinem Rücken nah, obwohl Bernd gar nichts gehört hat. Fingers grinst, aber ist dabei auch komischerweise freundlich.

    Bernd: Warst du die ganze Zeit da?
    Fingers: Ja und Grüße von Diego.
    Bernd: Ich will es lernen. So zu schleichen.
    Fingers: Du wirst es machen, keine Sorge. Setz dich, wir haben schnell was zu besprechen. Milten, komm schon rein.


    In diesem Moment öffnet sich die Tür des anderen Raums der Waffenkammer. Milten, der Feuermagier, begrüßt Bernd mit scheuem Lächeln und setzt sich sowie Fingers und Bernd.

    Bernd: Wo ist Diego, kann ich fragen?
    Fingers: Er bereitet die Abwehr des nächsten Konvoi zum Sumpflager vor. Damit du weißt… Die Strecke zum Lager zieht sich neben dem langen Fluss. Es ist weniger gefährlich. Aber es gibt einen Punkt zwischen dem Wald und dem Berg, wo es möglich ist, es erfolgreich zu überfallen. Bergab angreifen, das heißt. Wir kennen diese Positionen seit Langem, aber… Das neue Lager gewinnt immer mehr Ork-Sklaven, die ihnen über manche Tunnelsysteme erzählt haben sollen. Die Orks, das ist ein sehr altes Volk, das in diesem Tal seit Ewigkeit lebt. Kurz gesagt, wir haben keine Ahnung, woher der Angriff kommen wird. Wir wissen doch ganz bestimmt, es wird passieren. Unsere Spionage ist unbezwingbar. Es besteht ein Problem… Da kommst du ins Spiel.
    Milten: Ich möchte hier auch erwähnen, dass du dir keine Gedanken zu machen brauchst, weil Fingers an unserer Seite ist.
    Fingers: Ja, völlig, wir haben gemeinsame Ziele, das steht außer Frage.
    Milten: Genau, also hab keine Sorgen. Du kannst weiterreden.
    Fingers: Ich weiß, du hast dich in Verbindung mit dem Sumpflager und Cor Kalom gesetzt hast. Das könnte in dieser Lage von großem Vorteil sein.
    Bernd: Meinst du, ich könnte für euch eine Unterstützung erledigen?
    Finger: Du liest meine Gedanken. Du und Diego müsst momentan voneinander fernhalten, deswegen bin ich es, der dich darum bittet. Und nicht nur, er ist einfach nicht da.
    Bernd: Bittet schon? Als wäre es machbar? Wie stellt ihr euch es vor, ich tauch mich einfach beim Kalom auf und vermag es, ihn dazu zu überreden, seine unbezahlbaren Templer für euch zum Kampf zu schicken? Er würde mich auslachen und möglicherweise töten. Ist dieses Konvoi besonders, dass Diego und du mich braucht?
    Fingers: Leider ja. Weißt du… Gomez ist…
    Milten: Ein ahnungsloser, gebieterischer Bastard, der zu viel für sich selbst hält.
    Bernd: Was soll das genauer heißen?
    Fingers: Gomez hat große Schulden beim Sumpflager angehäuft. Und befürchtet die kleine Armee dieses Lagers. Und ihre Möglichkeiten auch. Es ist ein schwarzes Loch in seinem Auge, das nicht mehr zu ignorieren ist.
    Bernd: Eure Spionage soll unbezwingbar sein.
    Fingers: Bei den Fanatikern ist es unmöglich. Sie haben größere Ziele im Kopf und können deswegen auch Hunger leiden. Du bist eigentlich der Erste, dem es gelungen ist, bei ihnen irgendwas Vorteilhaftes für uns zu erreichen. Gomez weiß von deiner Existenz und deinen Taten. Und das ist sein Befehl eben. Es liegt nun an dir, dass diese Mission erfüllt ist, seine Schulden abzubauen.
    Bernd: Ach du verdammte Scheiße! Aber ich gehöre noch nicht zu seinen Truppen! Er hat keine Grundlage, verdammt!
    Milten: Bernd, hier gibt es keine anständigen Gerichte, wir sind letzten Endes im Gefängnis. Gomez’ Wort ist Gesetz halt. Wie unter üblichen Banditen. Tut mir Leid, wirklich.
    Bernd: Also verweigern, wenn ich es richtig schätze…
    Fingers: Bedeutet dein Tod. Gomez braucht Opfer und einen Angeklagten. Diego, ich und alle anderen, die mehr Erfahrung haben, sind von ihm fast unantastbar. Das ist eine sehr Beziehung voller Gift, du weißt schon. Er braucht uns und wir ihn leider auch. Wir würden uns aber ohne Zwinkern beseitigen.
    Bernd: Verdammte Scheiße es ist nicht eine Woche her sogar, als ich dem Tod entkommen bin und jetzt wird mir dieses Mist ins Auge geworfen. Hol ihn Beliar endlich.
    Milten: Bernd, bitte. Ich verstehe dein Empören, aber wir brauchen diesen Namen nicht zur Sprache bringen.


    Bernd verdreht seine Augen, der Kommentar war wie Öl ins Feuer seiner Empörung.

    Bernd: Verzeih mir, Innos’ eifriger Untertane.


    Milten seufzt aufgegeben. Fängt an, Waffen aller Art und auch Munition zu sortieren, wo sie noch drüber und drunter sind.

    Bernd: In diesem Konvoi also…
    Fingers: Sind alle die wichtigsten Waren und Kostbarkeit.


    Bernd macht eine schweigsame Pause, um sich etwas zu überlegen. Es dauert nicht lange, denn seine Gedanken jetzt rennen wie wilde, rastlose Pferde.


    Bernd: Aber warum alle auf einmal? Warum, zum Henker. teilt er diese Lieferung nicht!? Hat er Verstand verloren?
    Milten: Gomez will vermutlich auf eine faule Weise dieses Ding bereits hinter sich bringen.
    Bernd: Mit meinem Leben auf dem Spiel. Hervorragend. Was für ein Sohn einer Hure.
    Fingers: Wir sind bereit, dir zu helfen. Das darf nicht schiefgehen.


    Bernd beobachtet Milten, der nicht aufhört, die ganze Ausrüstung zu sortieren. Bernd muss seine Füße vertreten, er ist jetzt voller Stress, Zorn und Angst. Alles gemischt. Fingers sitzt auf seinem Platz weiter.

    Bernd: Sag mal, wann? Wann ist das Konvoi aufzubrechen?
    Fingers: In zwei Wochen. Am Samstag früh.
    Bernd: Zwei Wochen!? Was noch, vielleicht soll ich auch in einem Monat die Barriere zerstören…
    Milten: Ich werde dir behilflich sein, wo übliche Menschen keine Macht haben. Zu allererst, nimm diese Tränke. Deine Kräfte werden schneller zunehmen. Und magische auch. Ich kann dir leider kein Amulett geben, denn das wäre ein Beweis, wenn etwas scheitern würde, dass dir die Feuermagier helfen.
    Bernd: Das bedeutet, du wirst mir das Reisen verkürzen, wenn ich es brauche, oder?
    Milten: Anders wäre es schwieriger.
    Bernd: Gut, danke dir.
    Milten: Und weil ich Morgan jeden Tag besuchen muss, werde ich dir auch bei dieser Gelegenheit weitere Tränke bringen.
    Bernd: Innos sei gelobt. Und etwas Spruchrollen kannst du mir auch schmuggeln? Für die Übung.


    Milten ist einen kurzen Moment regungslos wie eine Statue, als würde er gerade eine sehr wichtige Entscheidung treffen oder als hätte er schon einen Plan vor den Augen. Dann kommt er schnell wieder zum Leben.

    Milten: Natürlich.
    Fingers: Und noch was. Du musst vor deinen Kameraden schweigsam bleiben.
    Bernd: Was noch? Wir würden doch jede Menge Hilfe brauchen. Sie wollen Schatten werden, das zählt nicht, oder?
    Fingers: Aber sie sind noch keine.
    Bernd: Genauso wie ich. Macht mich zum Schatten, damit ich vor ihnen ein Argument für meine nächsten Schritte habe. Ich teile Raum mit ihnen. Ich muss damit rechnen, was sie denken, verstehst du?
    Fingers: Ja, aber…
    Bernd: Bitte kein Aber. Will Gomez mir diese Aufgabe erteilen, dann soll er mich den Schatten anschließen lassen. Sagt ihm Bescheid, ich bin bereit, mit ihm zu reden, wenn er mich persönlich ruft. Ich habe satt.
    Fingers: Gut, sei ruhig. Ich und Diego werden darüber mit Thorus und vielleicht Gomez sprechen. Oder Raven, seine rechte Hand. Ich hätte noch eine Frage an dich… Wie würdest du deinen Zeitgenossen die ganze Lage eigentlich erklären?
    Bernd: Ich befand mich schon in Lebensgefahr. Sie haben mir geholfen. Grim und Dusty, meine ich. Nachdem ich verprügelt worden war, brachten sie mir Essen und Trinken mit: Sie brauchten es nicht zu machen, aber trotzdem… Ich erwähne wieder diesen Vorfall, um den Neuen zur Sprache zu bringen. Gomez hat mich wegen Dusty gewählt. Er macht mich zu seinem Vertreter, um für ihn was im Sumpflager zu erreichen. Ich musste zustimmen, habe ihm aber meine Bedingung gestellt: Mach, dass ich Schatten werde. Mein Leben ist wieder auf dem Spiel, wie letztes Mal, also… Halt euch einfach an eure Prüfungen und wünscht mir Glück bei meinen. Glaube genügt.
    Fingers: Gomez muss aber entscheiden…
    Bernd: Stimmt er nicht zu, dann verweigere ich.
    Milten: Bernd sei nicht verrückt.
    Bernd: Ich muss auch in diesen Verhältnissen verhandeln.
    Fingers: Bernd, kein Stress, ich mach es. Ich glaube… Ich glaube wirklich, es wird gelingen. Das ist eigentlich die kleinste Sorge. Die größte heißt… Wie du Kalom und andere überzeugst, uns zu helfen.
    Bernd: Das ist schon mein Problem. Wollt ihr mir helfen, dann ist das meine Bitte.
    Fingers: Gut. Aber wir reden zu lange, wir müssen zurück.
    Bernd: Ich habe mir schon eine Ausrede überlegt, wenn Grim und andere fragen, warum ich so lange hier gesteckt habe. Danke, Milten.
    Milten: Wieso?
    Bernd: Dass du den Kram sortiert hast. Ich hatte von dir - zeigt auf Fingers. - den Auftrag bekommen, gehörig aufzuräumen. Und bleibe schweigsam, solange ich eine Antwort von Gomez erhalte. Wie du es von mir gefordert hast.
    Fingers: Schön. Wir haben vereinbart, was zu machen ist. Und das freut mich. Dann gehen wir zurück.
    Bernd: Endlich, ich brauche was zu fressen.
    Milten: Warte. Trink alle drei gleich, das ist ganz wichtig. Reihenfolge ist nicht wichtig.
    Bernd: Wie du meinst, Boss. Für Innos.


    Milten dreht den Kopf, aber lässt sich diese Äußerung in den Wind schlagen. Fingers steht auf und zeigt Bernd, dass er als Erster rausgeht. Und so wird er von ihm bis zur Kantine begleitet, als wäre Bernd ein Gefangener. Damit alle den Eindruck gewinnen werden, dass Bernd noch ein Stück Strafe bekommt.
    Geändert von MäzenTrommel (08.05.2024 um 23:36 Uhr)

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    KAPITEL 1 Teil 44

    Tag 12 Donnerstag
    Nachmittag

    Die Übungen vergangen, trotz Fingers Aufsicht, normalerweise und alle waren momentan frei. Bernd wurde von niemandem angesprochen und er hatte selbst ja auch keine Lust, sich mit anderen zu unterhalten. Heute redete fast keiner, so war der Tag eben. Die Witterung half dabei auch nicht, weil es neblig und feucht war. Bernd begab sich, wie immer, in die Arena. Wie ein Golem, gedankenlos. Damit sein Verständnis nicht aus dem Ruder kommt. Übungen mit Kirgo sind perfekt dazu, weil sie beide immer über andere Themen sprechen. Die Themen, die die heutigen Sorgen abbringen. Die durch den Kampf erreichte Läuterung. Wenn sie beide letztendlich fertig mit der Arbeit sind, verabschieden sie sich irgendwie selbsttätig. Indem Bernd den Ausgang aus der Arena betritt, betritt er auch das Tor der Realität, die ihn bedrückt und motiviert zugleich. Nikolai erwartet ihn schon ganz bestimmt am Marktplatz.

    *


    Bloodwyn klopft Nikolai sanft auf die Wange grinsend. So ein Anblick steht Bernd vor den Augen, wenn er sich der großen Erzuhr nähert, wo Nikolai mit ihm das nächste Treffen vereinbart hat.

    Bloodwyn: Gut, dass du verstehst, welche Rolle die Zeit spielt. Du wirst sicher den Sonntag und dein Schutzgeld nicht außer Acht lassen, oder?

    Bernd wartet auf der Bank neben einer Hütte, bis Bloodwyn und seine Raufbolde weggehen.

    Nikolai: Sei sicher, bei so einer hervorragenden Uhr ist es einfach unmöglich.
    Bloodwyn: Ich merke mir deine Worte.
    Nikolai: Ich deine bitte auch.
    Bloodwyn: Freut mich. Meine Kerle. Unsere Pflicht ist erfüllt. Lassen wir diesen Herrn alleine.
    Nikolai: Danke und bis Sonntag. Noch zwei Tage und 13 Stunden. Ich werde bereit.


    Bloodwyn lacht unbändig.

    Bloodwyn: Und das gefällt mir! Hab mal schönen Abend!
    Nikolai: Danke, und du auch!

    Bernd wartet noch ein paar Weilen, was Nikolai fast sofort bemerkt und kommt auf ihn zu. Ehe Bernd überhaupt seinen Mund auftut, offenbart ihm Nikolai diskret ein paar Gedanken:

    Nikolai: Eins kann ich dir sagen. Und vergiss das bitte nie. Dieser Typ würde jedem in den Arsch kriechen, um nur einen winzigen Moment die Macht über andere ausüben zu können. Aber ist leicht zu zerbrechen, wenn er dessen beraubt wird. Falls das Lager zusammenbricht, wird er klein wie eine Flause. Vor dem Gericht hätte er das größte Maul im Stall, um das Strafmaß begrenzen zu lassen.
    Bernd: Ich werd ihn fertig machen, sei dir sicher.
    Nikolai: Dann werde ich dir dabei immer gerne helfen. Deine Feinde sind meine und was mir besonders Spaß macht, heißt solche selbst angenommenen harten Kerle wie ein Zweig übers Knie zu brechen. Das war immer befriedigend im Hafenviertel in Khorinis, du weißt schon.
    Bernd: Ich begrüße deine Hilfe mit offenen Armen. Der Mistkerl wird es bald bereuen.
    Nikolai: Schön. Gehen wir? Ich habe uns zwei Würstchen geklaut.


    Nikolai zeigt schnell Bernd seine Beute: zwei trockene geräucherte Würste.


    In diesen Verhältnissen ist die Ware eine Menge Erz wert, weil meistens jedes Stück Fleisch, Feier und Wettkämpfe ausgenommen, Gomez’ Umgebung erlangt. In anderen Worten muss Nikolai das einem Gardisten entwendet haben. Scheint ziemlich schurkenmäßig stolz drauf zu sein. Er versteckt sie schnell, während Bernd aufsteht und seine Füße erwärmt. Sie fangen schweigend an, sich von diesem Ort abzulenken, um sich in ihrem sicheren Anwesen endlich zu befinden: ein schmaler Platz zwischen der hinteren Wand Waffenkammers und der der anderen Waffenkammer.


    Während der Reise konnte Bernd seine Neugier nicht mehr aufhalten:

    Bernd: Bist du ihm zum ersten Mal begegnet?


    Er versucht natürlich, nicht aufzufallen. Keinem Gardisten einen Grund geben, den langen Hals zu machen. Nikolai scheint es ein bisschen egal sein:

    Nikolai: Tja. Du wunderst dich vielleicht wie, aber ein alter Dieb verrät seine Geheimnisse nie. Ich wusste, ich konnte ihm nicht für ewig ausweichen, deshalb habe ich mir gestern gedacht, heute wäre ein perfekter Tag dafür, diese Freude hinter mich zu bringen. Und steh ich hier unversehrt und freue mich schon auf die Tage, in denen er bereuen wird, geboren zu werden.


    Bernd wünscht sich jetzt diesen Teil des Gesprächs möglichst schnell abzuschließen:

    Bernd: Dann haben wir was zu erwarten.
    Nikolai: In. Der. Tat.


    *


    Sie sitzen beide voreinander auf den einzigen Baumstümpfen. Und genießen eine prächtige Mahlzeit. Nikolai hat schon ne Hälfte Wurst hinter sich, während er darüber erzählt, wie heute die Zusammenarbeit mit Whistler genau aussah. Und was er bemerkt hat:

    Nikolai: Und was mich tatsächlich überrascht hat, ist, dass er kurz nachher die wahre Seite von ihm gezeigt hat. Er hat viele gute Taten hinter sich und musste in diesen verfickten Verhältnissen seine Familie verlassen. Das hat er mir während einer Pause erzählt. Ein Sohn, zwei Töchter, Frau, Eltern und Freunde. Armer Kerl halt. Er ist kein Bandit und trotzdem ist er da. Kannst du dir vorstellen? Aber dazu komm ich noch - sammelt seine chaotische Gedanken, trinkt noch etwas Wasser aus dem Holzbecher. - Du würdest nie erraten, woher Whistler kommt.
    Bernd: Wenn du es in solchen Worten fasst, dann geht es um Khorinis, schätz ich.


    Bernd geht hinter die Ecke, um aus einem Holzfass etwas Wasser in den Becher zu holen. Nikolai schmunzelt einen Augenblick und wird schnell wieder neutral.

    Nikolai: Das war kein schwieriges Rätsel, oder… Ja, aus Khorinis. - Bernd kommt zurück und setzt sich wieder auf den Baumstumpf. - War er aber nicht so misslungen wie wir. Alter, der hatte einen großen und viel bedeutenden Namen. Wenn ich in der Stadt rumgelaufen bin, hätte ich nie gedacht, dass solche Gebäude um mich rum von ihm gewartet oder umgebaut worden sind.

    Bernd rülpst und antwortet gleich drauf:

    Bernd: Dann schieß mal mit Beispielen. - beginnt mit dem Wassertrinken. - Hab nie gehört, das ist mir wohl zu hoch.
    Nikolai: Dann hör zu… - fängt an, an den Fingern abzuzählen. - Neue Hauptstraße, renoviertes Rathaus und Gerichtsgebäude, die Kaserne, das nördliche Tor und zwei Türme daneben, und jedes Loch in den Mauern. Und alle 4 Kirchen der Stadt brauchten ein bisschen Betreuung. - nimmt nen kurzen Luftschluck in die Lungen. - Das sind die größten Taten, aber was wirklich zählte, dass er dem einfachen Volk schon immer behilflich war. Dach tropft? Ratten ein Loch zerrissen? Dann war er immer greifbar auf dem Posten, wo er nur konnte. Er brauchte nur Geld für das Material und fertig. Und trotz all seiner guten Taten ist er hier. Was denkst du, warum?


    Bernd denkt darüber nicht lange nach.

    Bernd: Weil ein Heuchler dazu geführt hat. Wäre nicht erstaunt.
    Nikolai: Das ist alles zu einfach zu durchschauen, ich schwöre. Genau das. Herr Statthalter Larius von Khorinis, du kennst wohl den verfluchten Namen,
    Bernd: Ja und möge ihn Fleischmaden zerfressen. Er würde den Feuermagiern das letzte Geld samt ihrer Mutter abgeben, nur um ein Stück mehr Macht zu haben.
    Nikolai: Larius hatte mehrere Kinder. Eins davon war sein Sohn, den Larius harte Arbeit lehren wollte, bevor er anfing zu denken, der Armee als Übergeordneter beizutreten. Herr achtbarer Larius wollte dabei nicht, dass sein edles Söhnchen bei irgendeiner armen Flause aus dem Hafenviertel arbeiten würde. Er wollte ihn zum Besten bringen. Whistler nämlich. Das Resultat war, dass Whistler bald den Auftrag bekam, dass er einen neuen Mitarbeiter haben würde, als wäre es bereits beschlossen gewesen. Whistler hat natürlich verweigert, weil er den Preis kannte. Was hat demgegenüber Larius gemacht? Er hat ihn mit einem offiziellen Arschdokument einfach dazu gezwungen. Weißt du, wie es geht. Als ein beachtlicher Bürger der Stadt hast du aus irgendeinem Grund die Pflicht, Söhne der Politiker als deine neuen Lehrlinge zu empfangen oder verlierst du Geld und Freiheit. Oder Geld für Kämpfe vor dem korrupten Gericht und dann endlich die Freiheit. Krank, oder? Er musste für seine Familie und ihr Wohl zustimmen. Wie du weißt, in Baustellen ist der Tod kein unüblicher Anblick. Trotz aller guten Vorsätze Whistlers war der Sohn vom Baugerüst abgefallen und kurz danach starb. Whistler wurde verhaftet und verurteilt. Proteste brachen aus, in denen 3 Menschen ums Leben kamen und 15 von ihnen durch die Miliz’ dreckige Hände verletzt wurden. Den Endeffekt dieses Unglücks konnte ich heute klar beobachten. Ein erschöpfter, hoffnungsloser, hart arbeitender Mann und Vater, der nichts gegen andere getan hat, der einfach zu seiner Familie zurück will. Das hat mich als Vater gebrochen, muss ich dir sagen, wenn ich ihm zugehört hab. Ich bin Bandit, ich scheiß auf andere Menschen und ich beraube und töte jeden, dessen Fresse mir nicht gefällt, ich bin doch nicht fehl am Platz. Aber was bloß tut hier so ein guter Mensch und Vater… Sein Platz ist bei seiner Frau und Familie, verdammt nochmal. Ich habe dir bereits erzählt, was ich machen werde, wenn ich raus bin. Ich reiße einen Teil Larius’ Körper ab und verlange vom Richter, es zu zerfressen, wie ein Schwein er ist in der Tat.
    Bernd: Gern, aber davor müssen wir uns um Gomez und all diesen Dreck kümmern. Alles zu seiner Zeit. Und wie gesagt, die Barriere zerbricht und Whistler sieht seine Familie wieder - er lässt die Stille einen Moment herrschen, um einen neuen Gedanke zur Sprache zu bringen, wie ein neuer Abschnitt. - Ich würde gern bei ihm Vertrauen gewinnen, weißt du? Hat er dir über seine täglichen Sorgen vielleicht nichts mehr erzählt? Sein Freund, Kirgo, meint, er habe im Großen und Ganzen wenig Zeit.
    Nikolai: Das stimmt. Er macht hier das gleiche, was er in Khorinis gemacht hat. Aber hier ist es stressiger, weil ihm immer ein Messer an die Kehle liegt. Kein Wunder, dass er Zeit nur für gute Freunde und Arbeit hat. Wozu brauchst du sein Vertrauen?
    Bernd: Fragst du es wirklich? Er kann doch brauchbar sein. Ich denke immer noch an die zukünftigen Schritte. Weißt du, was ich mein. Heut bist du da, morgen dort.
    Nikolai: Verstehe. Lass mich denken… Er hat mir erwähnt, er möge Schmuckwaren und alles was glänzt. Und zufällig hat mir während seines Redeflusses preisgegeben, dass er das Runenschwert vom Händler Fisk gern kaufen würde. Das Problem besteht drin, dass er mit Fisk auf dem Kriegsfuß steht. Hab ich nach dem Grund nicht gefragt. Er will ihm deshalb ohnehin nichts mehr verkaufen.
    Bernd: Da komm ich ins Spiel. Ich kann meine Fühler ausstrecken, um ihm das Schwert anzuschaffen. Ich habe mir niedrigere Preise bei Fisk besorgt, indem ich für richtige Leute gearbeitet habe.
    Nikolai: Tatsächlich? Mein Glückwunsch. Was werden wir eigentlich tun? Whistler besteht drauf, Diego dazu zu überreden, dass ich ihm von nun an drei Tage in der Woche helfen werde.
    Bernd: Echt? Gut. Du kannst ihm also weitergeben, dass ich ihm das Schwert besorgen werde und das ist beschlossen. Ich will aber, dass er sich meinen Namen merkt.
    Nikolai: Vielleicht wird er dir das Geld einfach zurückgeben und Schluss. Darüber wächst Gras.
    Bernd: Und ich lehne es ab. Dann werden wir uns treffen, glaube ich. Solch einem Menschen wie er muss alles klar sein. Ich würde ihm gerne diese Erklärungen liefern.
    Nikolai: Achso, das ist dein Plan.
    Bernd: Ja. Ständige Vorbereitung, Mann. Je mehr Bündnisse, desto besser. Eben.
    Nikolai: Du kannst in diesen Bündnissen führen. Mit dir glaube ich echt, dass wir eines Tages rauskommen. Verzeih mir nochmal den letzten Ausraster.
    Bernd: Macht nix. Du bist ein Teil der Mannschaft, die diese Ketten sprengen will.
    Nikolai: Und du führst. Mir steht es fest, dass du weißt, was du an diesem beschissenen Ort tust.
    Bernd: Ich habe keine andere Wahl.


    Es wird bald dämmern. Bernd fühlt sich wie ein verdrecktes Maultier und braucht Baden wie Lebensrettung. Deswegen nimmt er Abschied und begibt sich in die Badeanstalt der Schatten. Nikolai hat gesagt, er würde gerne mitkommen, aber er hat noch etwas zu erledigen. Bernd hat nicht gefragt. Sein Kopf taucht sich samt verschiedenen Gedanken in einer Waschwanne ein.
    Geändert von MäzenTrommel (11.05.2024 um 15:30 Uhr)

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